Was ist Gruppenanalyse

Was ist Gruppenanalyse

Die Workshops in Altaussee – berühmt wegen ihrer toleranten, multikulturellen

Atmosphäre – bieten den Teilnehmern eine äußerst lebendige Selbsterfahrung: Dabei bedient sich die professionelle Selbsterfahrung einer Einsicht in die Vorgeschichte der Teilnehmer und sucht nach Veränderungsmöglichkeiten. Andere Gruppenteilnehmer können hierbei quasi als Stellvertreter für frühere Bezugspersonen erlebt werden. So findet eine konstruktive Auseinandersetzung mit den früheren und den heutigen Beziehungen, mit ihren Belastungen und ihren Chancen statt. 


Die Anwendung der Psychoanalyse in Gruppen begann mit den englischen Psychoanalytikern Bion WR und Foulkes SH. Die Workshops in Altaussee basieren vor allem auf der Theorie der Gruppenanalyse nach Foulkes. Das Konzept nach Foulkes (1946) geht davon aus, dass jedes Individuum ein Interaktionsnetzwerk der Primärfamilie internalisiert habe, welches im Sinne der Übertragung in ein neues Netzwerk einer entstehenden Gruppe projiziert wird.

Die psychoanalytische Kernaussage von Foulkes Gruppenkonzept ist: Infantile familiäre Beziehungen sind gruppale Beziehungen, die zu gruppalen internalisierten Objektbeziehungen führen. Diese gruppalen Internalisierungen werden in Inszenierungen in neuen Gruppensituationen erfahrbar. Gruppenanalyse bedeutet die Analyse der Gruppenmatrix auf den familiären, interkulturellen und aktuellen Beziehungs- und Übertragungsebenen. Analog der Regel der freien Assoziation in der Psychoanalyse ergibt sich in der Gruppenanalyse die Regel der freien Gruppenassoziation und Gruppeninteraktion. Unter diesen Bedingungen kann das Kommunikationsnetzwerk, die Gruppenmatrix entstehen.


Gruppenanalyse umfasst nach Janssen und Sachs (2018) folgende 2 Pole:


  • Einerseits wiederholen Menschen beim Zusammentreffen mit anderen in Gruppen verinnerlichte Interaktionserfahrungen aus früheren (infantilen) Beziehungen (Familienintrojekte) in personifizierten, interpersonellen Auseinandersetzungen. Diese gruppalen, interaktiven Wiederholungsaktionen sind unbewusst und werden als interaktionelle Reinszenierungen verstanden.
  • Andererseits begegnen Menschen in dem haltenden Rahmen der Gruppe in den Interaktionen mit anderen einer differenzierten subjektiven Welt und der Realität des anderen. Im Prozess der Gruppe machen sie neue Erfahrungen mit sich und anderen, sie schaffen eine neue Situation in der Gruppe, die ebenfalls internalisiert wird.



Neuere theoretische und praktische Weiterentwicklungen der Psychoanalyse und Gruppenanalyse beinhalten Erkenntnisse aus der Säuglings-und Kleinkindforschung, aus der Bindungstheorie und der Entwicklungspsychologie. Die Neurowissenschaften tragen dazu bei Gruppenprozesse zu erforschen und die Gruppeninterventionen und interpersonelle Erfahrungen in Gruppentherapien mithilfe neurobiologischer Korrelate abbildbar zu machen. Auch die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Psychoanalyse – wie die Selbstpsychologie und die relationale Psychoanalyse oder die Objektbeziehungstheorie – haben zur Differenzierung der Gruppenanalyse beigetragen (Hayne und Kunzke 2004, Janssen und Sachs 2018). 



Literatur:

Foulkes SH. Gruppenanalytische Psychotherapie. München: Pfeiffer 1974.

Bion WR. Erfahrungen in Gruppen. Stuttgart: Klett 1971.

Hayne M, Kunzke D (Hg). Moderne Gruppenanalyse edition psychosozial 2004. 

Janssen P. Sachs G. Psychodynamische Gruppenpsychotherapie. Theorie, Setting Praxis Schattauer 2018.

 


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